Weihnachtsanflug auf New York

„Welcome back home in New York, boys, and a merry Christmas.“

Eine Erinnerung aus der Pan-Am-Zeit – und warum sie meine Arbeit in Aviation Crime & Crisis bis heute prägt.

Kurz vor Weihnachten flog ich oft zum Vorstand nach New York – zu Besprechungen und zur Weihnachtsfeier. Meistens saß ich vorne, ganz vorne: im Cockpit. Als Company Representative solltest du First-Class-Sitzplätze nicht den voll zahlenden Passagieren wegnehmen. Wenn man schon vorn sitzt, sollte man sich nützlich machen. Also habe ich, mit Navigatoren- und Funkerlizenz, gern den Funk übernommen und das Cockpit entlastet.

Anflüge auf JFK in den frühen Abendstunden der Weihnachtszeit bedeuteten für die Piloten regelmäßig: „Oh hell, stress ahead.“ Wetter, Verkehr, Slots, alle wollen noch rechtzeitig nach Hause – New York in Reinform.

Bei CAMRN, einem virtuellen Wegpunkt im Anflug, bekamst du New York TRACON auf die Frequenz, die An- und Abflugkontrolle für alle New Yorker Airports. Pan Am wollte, wenn irgend möglich, auf dem „Pan Am Strip“ landen: der legendären Bahn 31L. 14.500 Fuß lang, 200 Fuß breit – und in der winterlichen frühen Abenddämmerung ein Lichtermeer, fast so eindrucksvoll wie der Giant Christmas Tree am Rockefeller Center.

Es gehörte zum Ritual der Lotsen, uns erst einmal die 31R zu geben. 9.999 Fuß – für uns zwar fliegbar, aber nach Pan-Am-Geschmack zu kurz und vom Rollweg her ungünstiger zum Worldport-Terminal. Also lief der Funkverkehr oft ungefähr so:

„New York Approach, Clipper Resolution Heavy requesting three-one left.“

Nach einer kurzen Pause kam dann meistens die erwartete Freigabe für die 31L, verbunden mit dem Auftrag, noch das berühmte kurze „S“ zu fliegen, um in die Staffelung zu passen. Und am Ende des Vektorings dann jener Funkspruch, der mir bis heute im Ohr ist:

„Welcome back home in New York, boys, and a merry Christmas.“

Flugfunk aus einer Zeit, in der noch nicht alles bis ins letzte Wort reglementiert war – mit der rauen Herzlichkeit der New Yorker Lotsen. Kein großes Pathos, kein inszenierter Moment, sondern ein kurzer Satz, der genau traf, was viele an Bord gerade fühlten: Ankommen. Heimkommen. Durch sein.

Draußen zogen die letzten Wolkenschichten vorbei, drinnen blinkten die Instrumente. Wir arbeiteten weiter unsere Checklisten ab, setzten auf, rollten zum Worldport. Aus Sicht der Technik war der Flug unspektakulär. Und doch ist mir dieser Anflug bis heute im Gedächtnis geblieben – nicht wegen eines Problems, sondern weil in einem hochstandardisierten Umfeld für einen Moment etwas sehr Menschliches durchklang.

Dieses warme „Welcome home and merry Christmas“ der sonst so direkten, hektischen NY-TRACON-Fluglotsen und der Anflug auf den Pan Am Strip in der weihnachtlichen Abenddämmerung gehören für mich bis heute zu den schönsten Erinnerungen an eine Zeit, die 1991 viel zu früh zu Ende gegangen ist. Mein Herz ist in New York hängen geblieben – nicht nur als Aufkleber auf meinem alten Halliburton-Bordkoffer.

Vielleicht passt diese Szene so gut zu meiner heutigen Arbeit, weil sie ein Prinzip auf den Punkt bringt, das in Aviation, Crime & Crisis immer gilt: Im Hintergrund laufen Checklisten, Strukturen, Verfahren. Im Vordergrund geht es um Menschen – um ihre Heimkehr, um Sicherheit und Verantwortung, wenn etwas schiefgegangen ist.

Heute begleite ich keine Weihnachtsanflüge nach JFK mehr. Aber ich arbeite immer noch dort, wo es – im übertragenen Sinne – „richtig geknallt“ hat und trotzdem ruhig gelandet werden muss: in Krisen, nach Verdachtsmomenten und in sensiblen Konstellationen mit Strafverfolgungsbehörden, Aufsichtsbehörden, Botschaften und anderen staatlichen Stellen. Diese Haltung – Menschen durch schwierige Lagen sicher „nach Hause“ zu bringen, wenn andere schon ausgestiegen sind – prägt auch meine Arbeit als Anwalt in Aviation Crime & Crisis und bei Internal Investigations.